»Für mich ist die Kunst des Komponierens eine Art Zeremonie. Man muss sie ernsthaft betreiben, etwa wie die Liebe«, erläutert der Klangmagier Henri Dutilleux seinen künstlerischen Ansatz. »Es ist kein Scherz Musik zu schreiben. Es ist nötig, das mit Tiefe zu machen. Eine Art Mystik. Ich bin kein religiöser Mensch, habe nie religiöse Musik geschrieben. Aber ich habe einen Sinn für das Mystische. Hoffe ich.« In Dutilleux' Werken geht es um große Themen: die sich stets wandelnde Natur, die Unendlichkeit von Raum und Zeit, die Schönheit des Ephemären. In formaler Hinsicht verbindet »der Erneuerer der lyrischen Form« die freie Tonalität mit impressionistischem Kolorit à la Ravel, Debussy und Roussel. Dass er in der Nachkriegs-Avantgarde um Boulez und Stockhausen ein Außenseiter bleibt, schert ihn wenig. Statt sich dem »ästhetischen Terrorismus« der Serialisten durch penible Rechnerei zu beugen, führt er die Musik lieber zurück zu ihrem magischen Ursprung. »Tout un monde lointain« ist ein Paradebeispiel seiner poetischen Tonkunst. Inspiration findet er in dem Gedichtzyklus »Die Blumen des Bösen« von Charles Baudelaire, dessen Gesamtwerk er mit großer Leidenschaft erforscht. Es geht ihm jedoch weniger um eine Illustration der Gedichtzeilen, sondern vielmehr »um den Versuch, einige ihrer geheimsten Obertöne wachzurufen und zwischen der Welt Baudelaires und der Welt des Klanges zu vermitteln, mit allem, was sich als Vorstellung von Wirklichkeitsflucht darstellt: die Flucht durch Reisen, durch die Beschwörung der Erotik, durch Drogen, oder selbst durch mystische Erregung«, so der Musikwissenschaftler Claude Rostand. Und das gelingt ihm meisterhaft! Rezensenten feiern die »außergewöhnliche, gleichermaßen kristalline wie luxuriöse Schönheit« des Werks, die »schwarze Wollust« und »intime Alchemie der Klänge«. Die ebenso oszillierenden wie bedrohlichen verzaubern mit einer eigentümlichen »Mischung aus Verrätseltem und Verführerischem«. Oder, um es mit den Worten des Komponisten Claude Pascal zu sagen: »Die Naturgottheiten haben in Dutilleux einen Freund erkannt, einen Bruder, den Schöpfer einer fantastischen Mythologie, einer geheimnisvollen und poetischen, wilden und zarten ›fernen Welt‹! Schwefelmeere, gefrorene Seen, Schreie bedrängter Tiere, Signale einer entfernten Galaxie, versunkene Wälder, all dies und noch vieles mehr kann man in dieser unerhört reichen Partitur sehen«.