Festival Schönes Wochenende: Voices

Festival Schönes Wochenende: Voices

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Nichts in der Musik ist berührender als die menschliche Stimme: »Voices« ist ein Abend mit tief bewegender Musik für Gesang und Instrumente, voller Schmerz und Hoffnung. Anna Piadgorna und Igor Loboda gedenken ungeheuer expressiv der Opfer des Ukraine-Kriegs. Dieter Schnebel blickt auf die mythischen Amazonen, Laura Marconi imaginiert eine nächtliche Kampfhandlung. Peter Ruzicka nähert sich hochsensibel der Lyrik Paul Celans, die das tiefe Dunkel, aber auch die nie versiegende Hoffnung der verfolgten Juden so unvergleichlich artikuliert. Isang Yun setzt denen ein Denkmal, die sich gegen das Unrechtsregime in Südkorea zur Wehr gesetzt haben.

Das Konzert, in dem Stimmen im Mittelpunkt stehen, wird umrahmt von dem 2014 komponierten Requiem für Geige solo von Igor Loboda: »Mit diesem Werk möchte ich meinem seelischen Schmerz über die Tragödie in der Ukraine Ausdruck verleihen. Mein Requiem widme ich allen, die seit 2014 in dem schrecklichen Ukraine-Konflikt ums Leben kamen«, sagt der Komponist.

Die Ukrainerin Anna Piadgorna hat »Weeping for a dead love« für eine Sängerin geschrieben, die direkt nach Beginn des russischen Angriffskriegs aus ihrem Land geflohen ist. Das Stück für Stimme und Schlagzeug ist in der alten Tradition der »gholosinnia« komponiert, ein Lamento über den Verlust einer Liebe.

Dieter Schnebels Stück »Amazones« ist nach Textfragmenten aus Heinrich von Kleists »Penthesilea« über die Amazonen-Königin entstanden und wirft einen Blick auf die gesellschaftliche Rolle von kämpfenden Frauen. Interessanterweise lässt sich ein Bogen schlagen von den legendären Kriegerinnen aus der antiken Mythologie bis in die Ukraine: Jüngere Ausgrabungen legen nah, dass es auf dem Gebiet des Landes einmal eine weibliche Militärherrschaft gegeben haben muss – vergleichbar mit dem Matriarchat der mythologischen Amazonen. 

»Cenere« heißt »Asche«. Laura Marconi imaginiert eine tödliche Kampfhandlung – wie immer bei der Komponistin über eine lyrische Inspiration:

Die Nacht, ein bitteres Blatt.
Ich atme nicht.
Im Tiefblau ein Schrei, wirbelnde Asche.
Es blutet die Wunde
im Jenseits.
Im Diesseits.
Felicitas Erben

Das Hauptwerk des Konzertabends, Peter Ruzickas »…der die Gesänge zerschlug …«, befasst sich mit Texten des in Czernowitz geborenen Juden Paul Celan, dessen gesamte Familie der Shoa zum Opfer fiel und der Zeit seines Lebens eine »Überlebensschuld« mit sich herumtrug. Am Ende des Stücks keimt eine unnennbare Hoffnung, die sich in dem hebräischen Wort »Hachnissini« ausdrückt - ein Sehnsuchtslied nach Zion, eine Anrufung eines Vogels, der in der Ferne bei den schon freien Brüdern zu Besuch war. In der deutschen Übersetzung lautet der Liedbeginn: »Birg mich unter deinem Flügel / und sei mir Mutter und Schwester / und lass deine Brust mein Haupt schützen, / ein Nest meinen ausgestreckten Gebeten.«

Der Epilog aus »Engel in Flammen« des Südkoreaners Isang Yun beschließt ein Stück, das sich mit dem Unrechtsregime in Korea befasst. Yun war selbst ein politisch Verfolgter.

Im Kompositionsprozess hatte er junge Menschen in Süd-Korea vor Augen, vorwiegend Studenten, die im Frühjahr 1991 immer wieder demonstrierten und deren Proteste gewaltsam und gnadenlos unterdrückt wurden. »Viele gehörten politisch radikalen Gruppierungen an. Aber gerade die Studenten, die durch Selbstverbrennung Selbstmord begingen, hatten keine Zugehörigkeit zu politischen Gruppen; sie sahen nur die Aussichtslosigkeit, die Sackgasse im Kampf um Demokratisierung und Wiedervereinigung, den drohenden Zusammenbruch der Gesellschaft und die Ohnmacht des einzelnen. Sie handelten spontan und verbrannten ihre Körper, um der Gesellschaft einen Schock zu versetzen; sie wollten ein Zeichen setzen, um die Gesellschaft zur Besinnung zu bringen«, so Isang Yun. »Ein individuelles Schicksal ist wichtig und absolut, und damals gaben mehr als zwanzig junge Menschen ihr Leben; rein und naiv gingen sie öffentlich in den Tod, um eine moralische und gesellschaftliche Erneuerung anzumahnen. [...] Meine Idee war es nun, diesen Taten durch meine Musik ein Denkmal setzen, an einem Beispiel zu zeigen, wie unschuldige Menschen zum Opfer ihrer Gesellschaft werden. [...] Ich verfolge mit dem Werk keine politische Wirkung oder propagandistische Absicht, sondern ich handelte als Komponist, um mein Gewissen zu beruhigen.«

Schönes Wochenende: Voices
Freitag, 8. November 2024, 20:00 Uhr
Neanderkirche, Bolkerstr. 36, 40213 Düsseldorf
Tickets: 28 Euro, Studierende, Auszubildende und Schüler*innen 10 Euro

Julia HagenmüllerSopran
Eva MartiAlt
Fabian HemmelmannBariton
Yumiko ShibataVioline
Kölner Vokalsolisten
notabu.ensemble neue musik
Mark-Andreas SchlingensiepenDirigent
Igor Loboda
Requiem für Violine solo (dem endlosen Leiden der Ukraine gewidmet)
Anna Pidgorna
»Weeping for a dead love« für Stimme und Schlagzeug
Dieter Schnebel
»Amazones« für fünf Frauenstimmen
Laura Marconi
»Cenere« für fünf Stimmen und Schlagzeug
Peter Ruzicka
"...der die Gesänge zerschlug." Stele für Paul Celan nach Gedichten aus "Zeitgehöft" für Bariton und Kammerensemble
Isang Yun
Epilog aus »Engel in Flammen« für Sopran und Frauenchor
Igor Loboda
Requiem für Violine solo (dem endlosen Leiden der Ukraine gewidmet)
Fr
8.11.24
20:00
Neanderkirche, Bolkerstr. 36, Düsseldorf-Altstadt
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